Wer den Namen Schwedt hört, denkt meist erstmal an russisches Öl. Letztes Jahr habe ich die Stadt an der Oder für ein Porträt besucht. Ich war unterwegs mit Street-Art-Künstlern und Tabakpflanzern, Nationalparkguides und Fischern. Jetzt ist der Beitrag im Brandenburg-Magazin der Berliner Tagesspiegels erschienen.
Leseprobe: Stadtporträt Schwedt
Stahl und Beton, Backstein und Rost: Schwedts Wahrzeichen besteht aus Industriehallen und Kühltürmen, Rohren, Leitern und Treppen. Rauch quillt unablässig aus einigen der rund zwei Dutzend Schornsteine der PCK-Raffinerie, die schon von weitem zu sehen sind. An manchen Tagen lodern Flammen auf den Fackeltürmen, wenn überschüssige Gase verbrannt werden.
Die größte ostdeutsche Erdölraffinerie hat der 34.000-Einwohner-Stadt seit Ausbruch des Ukraine-Krieges nur negative Schlagzeilen beschert – und auch davor schlummerte Schwedt fernab des Uckermark-Hypes vor sich hin. Dabei hätten die Einwohner eigentlich Grund zum Feiern: Vor genau 60 Jahren sprudelte im Beisein von Walter Ulbricht das erste russische Öl durch die Pipeline „Druschba“ – Freundschaft.
DDR pur – das ist der erste Eindruck in Schwedt: die Anlagen des ehemaligen Kombinats, die breiten Betonpisten à la Moskau oder Ostberlin, die endlosen Reihen uniformer Plattenbauten. Doch dazwischen leuchten schrille Farben: quietschbunte Balkone, wandfüllende Gemälde und Fassaden in Feuerrot, Barbiepink, Ozeanblau oder Giftgrün. Das Grau der Vorwendezeit: wie weggeblasen.
Streetart an Plattenbauten
„Nein, eher weggesprayed! Ich bin selbst erstaunt, wie sehr Schwedt sich entwickelt hat“, sagt Marco Brzozowski, während er mit der Sprühdose ein Kunstwerk bearbeitet: zwei Musiker mit Gitarre und eine Frau am Keyboard. Die Szene verwandelt ein schlichtes Trafohäuschen in einen bunten Hingucker. „Als ich mich 2007 als Fassadenmaler selbstständig machte, dachte ich zuerst an Schwedt als potenziellen Kunden.“
Seitdem hat er im Auftrag der Wohnungsbaugesellschaft und der Stadtwerke viele Gebäude verwandelt – darunter über 1.000 Quadratmeter große Fassaden, für die Hunderte Farbdosen zum Einsatz kamen. „Bei so großen Objekten benutze ich das Gerüst als Raster und prüfe den Fortschritt ab und zu aus der Ferne“, sagt der Künstler, bevor er wieder seine Kopfhörer aufsetzt: „Ein 60-Stunden-Hörbuch! Darin ‚lebe‘ ich immer, wenn ich tagelang nur spraye.“
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